- Freitag, 12. Januar 2024
- Veröffentlicht durch: GGV
- Kategorie: Neuigkeiten
Deutsche Konzerne haben mit der Umsetzung des deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes begonnen. Französische Tochtergesellschaften eines deutschen Konzerns müssen damit rechnen, dass die Muttergesellschaft sie auffordert, das von ihr eingerichtete Hinweisgebersystem einzuführen.
Deutschland und Frankreich haben die Richtlinie (EU) 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Recht der Europäischen Union melden, in nationales Recht umgesetzt. Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz vom 31. Mai 2023 ist am 2. Juli 2023 in Kraft getreten. Es verpflichtet Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten dazu, ein Hinweisgebersystem einzurichten. Diese Verpflichtung ist stufenweise in Kraft getreten und gilt nunmehr für Unternehmen mit mit 50 oder mehr Beschäftigten. In Frankreich gilt die Verpflichtung zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems für Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten seit dem 1. Januar 2018.
In Deutschland hat die Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes dazu geführt, dass deutsche Konzerne ein Hinweisgebersystem eingerichtet haben und nunmehr die Tochtergesellschaften auffordern, dies ebenfalls zu tun. Französische Tochtergesellschaften deutscher Konzerne müssen daher damit rechnen, dass der Konzern, dem sie angehören, sie auffordert, das von ihm eingerichtete Hinweisgeberverfahren einzuführen.
Dieses kann jedoch nicht ohne vorherige Anpassung an das französische Recht eingeführt werden.
Obwohl das deutsche und das französische Gesetz auf derselben EU-Richtlinie beruhen, unterscheiden sie sich in einigen Punkten.
So ist beispielsweise der sachliche Anwendungsbereich hinsichtlich der Verstöße, die gemeldet werden können, im deutschen Recht enger als im französischen Recht: Das deutsche Gesetz umfasst neben strafbewehrten auch bestimmte bußgeldbewährte Verstöße sowie bestimmte Verstöße gegen Landes- oder Bundesrecht oder gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft. Anders als im Koalitionsvertrag vorgesehen, umfasst das deutsche Gesetz keine Meldungen von Informationen, deren Bekanntgabe im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Im Gegensatz dazu erlaubt das französische Recht die Meldung von Verstößen, einschließlich begründeter Verdachtsmomente in Bezug auf tatsächliche oder potenzielle Verstöße, gegen geltende Rechtsvorschriften oder in Bezug auf die Gefährdung oder Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses.
Der persönliche Anwendungsbereich des internen Hinweisgeberverfahrens ist nach dem deutschen Gesetz ebenfalls enger, als nach dem französischen Gesetz. Nach dem deutschen Gesetz steht den Unternehmen die Öffnung des internen Meldekanals für Personen außerhalb der eigenen Beschäftigten lediglich offen. Nach dem französischen Gesetz ist es vorgesehen, dass Vertragspartner und Subunternehmer oder insofern es sich um juristische Personen handelt, die Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgans dieser Vertragspartner und Subunternehmer und deren Beschäftigte das Hinweisgebersystem nutzen können.
Bei der Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen müssen die Unternehmen ebenfalls Unterschiede beachten. Das deutsche Gesetz verlangt beispielsweise bei der Entgegennahme einer mündlichen Meldung nur, dass die persönliche Zusammenkunft in einem angemessenen Zeitraum organisiert wird, wohingegen das französische Gesetz präziser ist und verlangt, dass dies innerhalb von 20 Tagen geschieht.
Schließlich ist das deutsche Gesetz hinsichtlich der zu erteilenden Informationen über die externen Meldestellen strenger als das französische Gesetz. Es schreibt vor, dass Informationen über externe Meldestellen die Kontaktdaten der externen Meldestellen enthalten müssen und das Verfahren bei den externen Meldestellen detailliert beschrieben werden muss. Das französische Gesetz verpflichtet Unternehmen lediglich verständliche und leicht zugängliche Informationen über die Verfahren zur Meldung bei externen Meldestellen bereithalten.
Je nach Größe der französischen Tochtergesellschaft ist auch zu prüfen, ob diese ein eigenes Hinweisgebersystem einrichten muss oder das auf Konzernebene bestehende System nutzen kann. Nach französischem Recht können nur Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern ihre Hinweisgebersysteme gemeinsam mit anderen Unternehmen der Gruppe nutzen.
Abschließend sei daran erinnert, dass die Einrichtung eines Hinweisgebersystems nach französischem Recht Folgendes erfordert:
- Information und Anhörung des Betriebsrats
- Nennung des Schutzes von hinweisgebenden Personen in der Betriebsordnung
- Individuelle Information der Mitarbeiter
- Das Hinweisgebersystem mit allen Mitteln bekannt zu machen (Aushang, Internetseite, …).
Die Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht ist eine neue Gelegenheit für französische Tochtergesellschaften, die noch kein Hinweisgebersystem eingerichtet haben, ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nachzukommen.